Wahrscheinlich kennst du das alte Sprichwort (welches oft Lao Tze zugeschrieben wird), dass „eine Reise von tausend Meilen mit dem ersten Schritt [beginnt]“.
In meinem Blog beschäftige ich mich mit Fragen der Produktivität, Disziplin, Zielplanung, des Zeitmanagements usw. Ich werde mit dir verschiedene nützlichen Techniken teilen, die dir helfen werden, auf deinem Weg Schritt für Schritt voranzukommen. Doch du solltest dich nicht unvorbereitet auf oben erwähnte Reise machen. Denn wenn man keine Karte und keinen Kompass mitnimmt, dann riskiert man sich am Ende zu verlaufen.
Dies ist der erste Teil einer Reihe von Artikeln, die dir dabei helfen werden, alle notwendigen Vorbereitungen für deine Reise zu tätigen. Ich zeige dir, wie du deinen eigenen Kompass und deine Karte gestalten kannst.
Lass uns mit einer kleinen Übung beginnen: Nimm ein Blatt Papier und beantworte darauf die folgende Frage: „Welche eine Sache, die ich derzeit nicht (oder nur unregelmäßig) tue, würde die Qualität meines beruflichen Lebens deutlich verbessern?“ Nimm dir ruhig etwas Zeit zum Nachdenken, bevor du antwortest!
Wenn du damit fertig bist, beantworte die gleiche Frage, aber diesmal in Bezug auf dein persönliches Leben. Und bitte, sei ehrlich zu dir selbst!
In Ordnung, jetzt kannst du dieses Blatt erstmal weglegen. Wir kommen später auf diese Übung zurück.
Prioritäten, Prioritäten, Prioritäten
Ich habe im Rahmen meiner Arbeit einige Menschen getroffen, die trotz guten Willens immer wieder daran gescheitert sind, sich die richtigen Ziele zu setzen bzw. bei deren Umsetzung dranzubleiben. Sie versuchten verschiedene Methoden oder Systeme, doch vergebens! Immer wieder wiederholte sich das folgende Szenario: nach einer anfänglichen Phase der engagierten Arbeit an den neuen guten Vorsätzen flachte ihr Enthusiasmus nach einiger Zeit schnell ab. Das „Leben kam dazwischen“ und sie warfen ihre Ziele weg.
Durch Beobachtung bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass es in den meisten dieser Fälle eigentlich ein und dieselbe Ursache für das ganze Übel gab – die Ziele waren schlecht gewählt bzw. die Prioritäten nicht richtig bestimmt.
Ich finde, der absolut wichtigste Punkt, der über den Erfolg beim Erreichen deiner Ziele entscheidet, ist folgender: Bevor du dich auf die Reise machst, solltest du dir zunächst eine Karte oder einen Kompass besorgen. Das bedeutet, du musst lernen, dir die richtigen Ziele zu setzen (= solche, an deren Umsetzung du auch wirklich arbeiten willst) bzw. das Wichtige vom Irrelevanten zu unterscheiden.
Damit wir also auf unserem Weg immer wieder die richtige Abzweigung wählen und uns niemals verlaufen brauchen wir eine verlässliche Methode, ein Tool, mit dem wir arbeiten können.
Ich möchte dir jetzt ein solches Tool vorstellen, nämlich die sogenannte Eisenhower-Matrix. Es handelt sich hierbei um eine der bekanntesten Methoden zur Priorisierung von Zielen und deswegen könnte sie auch dir bekannt sein. Doch auch wenn das der Fall sein sollte, pass bitte auf! Ich werde nämlich eine neue Perspektive auf diese Methode vorstellen, die dich durchaus überraschen könnte.
Dein Leben in der Matrix
Falls du noch niemals von der Eisenhower-Matrix (auch bekannt als Vier-Quadranten-Methode) gehört hast, erkläre ich dir die Grundlagen dieser Methode ganz schnell. Schau dir bitte die Grafik an. Die Grundidee hinter der Methode ist, dass sich jede Aufgabe prinzipiell einem der vier Quadranten zuordnen lässt, die du in der Grafik siehst. Je nachdem, wie wichtig oder dringend die jeweilige Aufgabe ist, so wird sie auf den Achsen nicht wichtig-wichtig und nicht dringend-dringend eingeordnet. Am besten, du testest es gleich selbst! Hol dafür deine ToDo-Liste für diese Woche, lies deine Aufgaben durch und stell dir zu jeder dieser Aufgaben folgende zwei Fragen: „Wie wichtig ist die Aufgabe?“ Und: „Wie dringend ist die Aufgabe?“ Je nach Antwort ordnest du die Aufgabe einem entsprechenden Feld auf der Matrix zu und… voila! Fertig!

Hast du diese kleine Übung mit deiner ToDo-Liste gemacht? Wenn nicht, dann mach das bitte jetzt und du wirst dich selbst schnell von den Vorteilen dieser Methode überzeugen – sie ist einfach, schnell umsetzbar und sehr praktisch. Mit ihrer Hilfe kannst du sofort etwas Klarheit in die eigene ToDo-Liste bringen – denn du wirst dir schnell darüber bewusst, was für dich wirklich wichtig ist was nicht. Wenn du mit dieser Methode arbeitest, wirst du in Zukunft weniger Schwierigkeiten damit haben zu entscheiden, welche Aufgaben du zeitnah erledigen musst, welche für später aufgehoben werden müssen und welche du delegieren kannst.
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Vielleicht erinnerst du dich aber an den Film „Matrix“ und die Szene, in der Neo zum ersten Mal auf Morpheus trifft…Was, wenn ich dir sage, dass für uns ein ähnlicher Moment gekommen ist, an dem ich dir einen Vorschlag machen möchte: Du kannst nämlich all das mitnehmen, was du heute gelernt hast und dich damit zufriedengeben, dass wir bisher nur an der Oberfläche gekratzt haben… Oder du willst erfahren, welche „Geheimnisse“ die Matrix noch birgt und wie man ihren Code hacken kann…
Bist du bereit?
OK, lass uns den nächsten Schritt machen und einen ersten Blick hinter die Kulissen unserer Matrix wagen.
Was die anderen über die Matrix sagen
Wenn du im Internet zum Thema Eisenhower-Matrix stöberst, dann wirst du schnell sehen, dass die überwiegende Mehrheit der Quellen den Sinn dieser Methode ungefähr so erklärt: Diese Methode hilft einem dabei zu verstehen was in deinem Leben wirklich wichtig ist und daher immer die höchste Priorität haben sollte. Diese Aktivitäten, die allesamt in Quadrant 1 liegen, sollen deswegen umgehend erledigt werden. Die Aufgaben aus Q2 werden am besten terminiert, während die Aufgaben aus Q3 und Q4 delegiert bzw. eliminiert werden sollen.
Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick sehr logisch und vernünftig – was ist daran schon auszusetzen? Und tatsächlich, wenn du dir jetzt die folgende Grafik anschaust, so würdest du wahrscheinlich alle dort gezeigten Aufgaben denselben Feldern zuordnen, wie ich es gemacht habe, oder?
Und dennoch…

Heute möchte ich dir einen anderen Ansatz vorschlagen, auf den ich bei der Lektüre von Stephen R. Coveys exzellentem Buch „Die sieben Wege zur Effektivität“ gestoßen bin (ich werde dieses Buch sicherlich noch auf diesem Blog besprechen). Ich kann sagen, dass es meine eigene Perspektive auf Priorisierung mit Hilfe der Eisenhower-Matrix vollkommen verändert hat.
Ich möchte, dass wir an dieser Stelle ein kleines Experiment durchführen. Zunächst erstellst du deine eigene Matrix. Hol dafür bitte deine aktuelle ToDo-Liste. Jetzt gehst du alle dort aufgelisteten Aufgaben durch und stellst dir dabei zu jeder dieser folgende zwei Fragen: „Wie wichtig ist die Aufgabe?“ und: „Wie dringend ist die Aufgabe?“. Je nach Antwort solltest du die jeweilige Aufgabe einem entsprechenden Feld auf der Matrix zuordnen.
Jetzt kommt der wichtige Teil. Ich möchte dich nämlich nach den Kriterien fragen, auf deren Grundlage du deine Entscheidung getroffen hast. Was ist für dich „dringend“ und „wichtig“? Und schließlich, bist du dir absolut sicher, dass du dich wirklich von deinen eigenen Kriterien hast leiten lassen…?
Ich möchte dich mit diesen Fragen dazu anregen, über die Regeln der Matrix nachzudenken und diese zu hinterfragen. Die Matrix ist nur ein Tool – sie kann dir helfen dein Leben besser in den Griff zu bekommen. Sie sollte aber nicht bestimmen, wie du dieses Leben führst. Doch genau dieser Anspruch wird in dieser Methode impliziert! Bereits die Beschreibungen der einzelnen Quadranten stehen für eine klare Hierarchie zwischen den einzelnen Bereichen (Q1 ist wichtiger als alle anderen). Sie suggerieren dadurch, dass es nur das eine erstrebenswerte Ziel gibt (die Steigerung der eigenen Produktivität) und dass nur ein Weg zu diesem Ziel führt (ausschließliche Konzentration auf die Aufgaben aus dem Quadranten 1).
Doch ist dem wirklich so? Sollten wir wirklich sozusagen um der Produktivität willen produktiv werden, auch wenn es bedeutet, dass alles andere auf der Strecke bleibt? Würdest du diese Philosophie unterstützen?
Meine Perspektive auf die Matrix
Ich möchte, dass du mich richtig verstehst. Ich stelle hier nicht den Sinn der Arbeit an der eigenen Produktivität in Frage (schließlich heißt dieser Blog nicht ohne Grund so wie er heißt)! Ich möchte nur, dass wir das Thema etwas differenzierter betrachten.
Ich persönlich sehe zwei große Probleme mit diesem Ansatz, der auf absolute Produktivität (=“Leben im Q1“) abzielt.
Zum einen möchte ich dich auf ein bekanntes Phänomen hinweisen: Wenn du dich ausschließlich auf den Q1 konzentrierst, dann wird dieser Quadrant wie von allein „wachsen“ und früher oder später alles andere verdrängen. Ehe du dich versiehst, bleibt dir keine Zeit mehr für andere Sachen! Schau dich in deinem Umfeld um und du wirst mir sicherlich Beispiele von Menschen nennen, die gefühlt rund um die Uhr nur mit der Arbeit beschäftigt sind – bei ihnen dominiert der Q1 alle restlichen Felder. „Superproduktiv“ zu sein klingt zwar sehr gut, hat aber auch seinen Preis. Bist du bereit diesen zu zahlen?
Das zweite Problem ist, dass die meisten der Q1-Ziele sehr oft nicht von unseren eigenen Prioritäten abgeleitet werden, sondern von denen anderer (Arbeitgeber, Familienmitglieder usw.). Wenn du dir jetzt deine Matrix anschaust – bei wie vielen dieser Q1-Aufgaben kannst du mit hundertprozentiger Überzeugung behaupten, dass sie für dich persönlich so richtig wichtig und dringend sind und nicht an die Erwartungshaltung anderer Menschen geknüpft sind..?
Ich bin der Meinung, dass die übliche Interpretation der Matrix auch gewaltige Risiken in sich birgt: das ständige Gefühl, seinen Aufgaben hinterherzuhinken und von anderen abhängig zu sein, der Stress und am Ende vielleicht sogar ein Burnout…
Aber was sollen wir denn tun?!
Ist diese ganze Matrix überhaupt etwas wert? Gibt es einen besseren Weg die eigene Produktivität zu steigern?
Die Matrix hacken
Wir haben nun einen langen Umweg gemacht, um zu der Übung zurückzukehren, mit der wir im vorangegangenen Beitrag angefangen haben. Dort habe ich dich nach einer einzigen Sache gefragt, die du zwar nicht tust, von der du aber glaubst, dass sie sofort die Qualität deines beruflichen bzw. privaten Lebens verbessern würde. Schau dir bitte deine Antworten noch einmal an. Wenn du diese Übung ernst genommen hast, dann stehen die Chancen gut, dass die von dir angegebenen Aktivitäten sich dem Quadrant 2 zuordnen lassen („wichtig, aber nicht dringend“).
Bist du überrascht oder hast du es bereits geahnt…?
Denk bitte darüber nochmal darüber nach: Im Q2 befinden sich solche Aktivitäten wie bspw. Planung, Weiterbildung, Aufbau von Beziehungen zu anderen Menschen usw. Die meisten von uns tendieren dazu, diese „auf später“ verschieben – schließlich sind sie ja nicht dringend… Meines Erachtens ist dies aber eine große und schwerwiegende Misshandlung der Matrix!
Ich schlage dir einen Perspektivwechsel vor. Die Q2-Aktivitäten erscheinen dir vielleicht auf den ersten Blick nicht dringend, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinne, doch in Wirklichkeit sind sie das Wichtigste und Beste was du für dich selbst tun kannst. Du solltest sie daher ab sofort als die bestmögliche Investition in deine eigene Entwicklung sowie in dein Wachstum betrachten und ihnen immer die höchste Priorität geben!
Ich könnte unser neues Paradigma sogar mit Hilfe einer Formel veranschaulichen, die
in etwa so aussehen würde: Q2=Q1+Q3+Q4 (oder gar Q2>Q1+Q3+Q4).
Die Eisenhower-Matrix kann ein sehr nützliches Tool sein, das dir hilft, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und somit deinen Alltag produktiver zu gestalten. Gleichzeitig aber kann sie noch viel mehr bieten – wir können sie nämlich als eine Art Kompass benutzen, der uns auf dem Weg der Selbstentwicklung dienen wird. Vorausgesetzt natürlich, dass wir lernen sie richtig zu benutzen.
Mein Argument ist: Indem du den Q2-Aktivitäten die höchste Priorität einräumst, machst du gleichzeitig die absolut beste Investition in deine eigene Entwicklung.
Nun, du könntest mir zwar in alldem zustimmen, gleichzeitig aber jetzt einwenden, dass es doch vollkommen unrealistisch sei, zu glauben, dass man die Regeln der Matrix einfach so hacken und nach Q2 „auswandern“ kann.
OK, ich kann dir zwar nicht versprechen, dass man es „einfach so“ erreichen kann, doch es ist absolut machbar. Heute haben wir nur den berühmten ersten Schritt gemacht – ich wollte deine Augen für eine neue Perspektive öffnen. Im folgenden Beitrag widme ich mich den Methoden des „Umzugs“ in den zweiten Quadranten.